Frauen als Führungskraft?

Frau im Vortrag über den Konferenztisch gebeugt
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Erfahrungsbericht eines Untergebenen – eine Glosse

Seit ich arbeite, habe ich Frauen als Vorgesetzte. Nachgezählt kam ich auf 10 Frauen als direkte Vorgesetzte. Um es gleich vorwegzunehmen: Frauen sind nicht die besseren Führungs­kräfte, genauso wenig wie Männer die schlechteren sind. Es ist die Haltung, die eine gute Vorgesetzte ausmacht: weniger Ego­mane, mehr Teamplayer. Klarheit, kein Lavieren. Und vor allem macht allein die Position noch keine gute Chefin, sondern ihre Leistung.

Und doch habe ich als junger Untergebener Erfahrungen mit Frauen als Vorgesetzte gemacht, die ich spezifisch empfinde. Alle meine Chefinnen arbeiteten im mittleren und höheren Management; an der Spitze aller Organisationen waren allerdings klassisch die „old white men“. Und dies in einer Branche, wo schätzungsweise 70 Prozent der Kolleginnen Frauen sind. Was ich erst langsam verstanden habe, diese männlichen Spitzen waren auch mein Problem. Denn für einen Teil meiner Chefinnen (und auch Kolleginnen) wurde ich schnell zum Blitzableiter und zum Pinch Ball der eigenen schlechten Erfahrungen mit Männern. In Entführungsfällen nennt man so etwas Stockholm-Syndrom, die Erniedrigten machen sich zu Verbündeten ihrer Peiniger.

In meinem Fall bedeutet dies, dass manche Frauen wie Racheengel ihre unbestritten schlimmen Erniedrigungen durch Männer direkt an mich weitergaben. Nur zum Teil noch perfider. Denn anstatt draufzuhauen, wurde man emotional drangsaliert – und als Mann degradiert. „Du kannst mich nicht akzeptieren, weil ich eine Frau bin“, „Das musst du ja sagen als Mann“, „Ich erwarte absoluten Gehorsam“ – das sind nur einige der Aussagen, nachdem ich vielleicht noch eine Stunde vorher tröstender Untergebener sein musste, wenn die Besprechung mit der obersten Ebene nicht gut lief. Von noch persönlicheren Angriffen ganz zu schweigen.

Eine Führungskraft besticht durch natürliche Autorität, nicht durch Egozentrik

Aber ich habe vorgesetzte Frauen auch als große Bereicherung empfunden. Bei diesen Chefinnen beeindruckten mich deren Klarheit und natürliche Autorität, aber auch ihr wirkliches und zuweilen förderndes Interesse an meiner Person. Diese Frauen beeindruckten mich durch ihre Leistung: Ihre Führung bedurfte nicht der Position, sie hatten sie sich durch Leistung erarbeitet. Und erarbeiten heißt nicht erstreben. Respekt durch Mitarbeiter wird nicht gewonnen, indem man die eigenen Leistungen durchgehend in den Vordergrund stellt – weder als Mitarbeiterin, und schon gar nicht als Chefin.

Als Mann schätzt man eine gewisse emotionale Zurückhaltung im Alltag und dass man die kurze Frage „Are you okay?“ auch zufriedenstellend mit einem Wort beantworten darf. Bei meinen „schlechten Chefinnen“ war es aber gerade dieses ungebremste Ausleben der eigenen Emotio­nen auf Kosten der Mitarbeiter, das zum Teil ganze Arbeitsprozesse zum Erliegen brachte. Von der eigenen Motivation ganz zu schweigen. Denn wenn Egozentrismus noch kombiniert wird mit einem hohen emotionalen Anspruch ans Umfeld, dann wird normales Arbeiten schwierig. Hier zeigte sich auch oft die Auswirkung der Überbeanspruchung Familie und Beruf.

Oft mussten ich und meine Kolleginnen unserer weiblichen Führungskraft den fehlenden Freundeskreis ersetzen, die Sehnsucht nach Austausch und vertrauter Zuneigung. In der Früh berät man noch beim Kaffee zu eindeutig privaten Familienangelegenheiten, zwei Stunden später wird die Vorgesetztenkarte gezückt und man direkt und genauso persönlich für berufliche Dinge gerügt. Unter meinen „schlechten Chefinnen“ war dies ein klares Muster. Auch als Mann musste man die beste Freundin sein, aber auch bloß nicht durch „typisch männliches“ offenes Wort die durch strebsame Dienste erreichte Position der Vorgesetzten ankratzen.

Ich bin froh, dass ich genauso viele gute Chefinnen wie schlechte hatte. Unter den schlechten begann ich aber zu verstehen, was vielen Frauen oft das Arbeitsleben schwer macht: Die Reduzierung auf die eigenen Geschlechterschubladen. Was mich bei den schlechten Chefinnen erstaunt bis in die Verzweiflung getrieben hat, könnte mir zu Teilen auch mit einem Mann passieren. Wir befördern derzeit in Organisationen die Egomanen an die Spitze, hinter deren eigenen Zielen alles zurückstehen muss. Und der Mitarbeiter für alles herhalten darf.

Daher kann ich nur unterstützen, dass wir mit dem kommenden Generationswechsel in den Führungsebenen nicht bisherige Strukturen kopieren und einfach Männer durch Frauen ersetzen. Wir müssen endlich gezielter darüber nachdenken, wie unsere hierarchische und auf Egozentrismus basierende Führungskultur und Organisationsstruktur neu ausgerichtet werden kann. Allein durch die Besetzung von Spitzenpositionen mit Frauen wird sich daran nämlich nichts ändern.

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