Allzweckwaffe Active Sourcing?

Tipps und Leitfragen für Ihre Strategie zur Personalgewinnung - Schweizer Taschenmesser im Bereich Social Media
© stux - pixabay.com

Tipps und Leitfragen für Ihre Strategie zur Personalgewinnung

Active Sourcing ist als wirkungsvolles Mittel in einem immer stärker werdenden Wettbewerb um die besten Talente und Kandidaten in aller Munde. Doch die Umstellung auf einen agilen und iterativen Souring-Prozess verlangt ganz andere Fragestellungen und Herangehensweisen, wie eine aktuelle Studie zur Kandidatenansprache über Social Media zeigt.

Der tiefgreifende Wandel am Arbeitsmarkt, bedingt unter anderem durch den zunehmenden Fachkräftemangel und den demografischen Wandel, stellt besonders für die Besetzung offener Positionen eine große Herausforderung dar. Denn Unternehmen und Recruiter stehen nicht mehr in Kontakt mit klassischen Bewerbern, sondern mit Kandidaten, welche für ein Unternehmen und eine Position gewonnen werden möchten und zwischen mehreren Angeboten auswählen können.

Klassische „Post & Pray“-Ansätze werden daher immer häufiger durch proaktive Maßnahmen ergänzt oder sogar ersetzt. Gerade Active Sourcing, also die gezielte Suche und Ansprache von Kandidaten über Social-Media-Kanäle, gilt aktuell als ein Erfolg versprechender Weg im Wettbewerb um die besten Talente. Durch die Komplexität der Kandidatensuche und ‑ansprache hat sich, neben dem Hiring Manager und Recruiter, mit dem Sourcer eine dritte Rolle im Rahmen von Auswahlprozessen etabliert. Ein Sourcer unterscheidet sich dabei durch die Aufgaben und Kompetenzen, wozu zum Beispiel das Know-how über die Suche, die Funktionsweise von Suchmaschinen und Netzwerken sowie die verschiedenen Ansprachestrategien zählen.

Doch ist die aktive Suche und Ansprache von Kandidatinnen und Kandidaten wirklich die passende Lösung für alle Zielgruppen? Und welche Leitfragen müssen wir uns als Unternehmen stellen, um eine passgenaue Strategie und entsprechende Maßnahmen zu entwickeln?

Studie zum zielgruppenorientierten Active Sourcing

Im Rahmen einer eigens durchgeführten Studie haben wir zu Beginn dieses Jahres Kandidatinnen und Kandidaten zu ihren Erwartungen und Befürchtungen in Bezug auf eine Ansprache über Social Media befragt und bei der Auswertung unterschiedliche Zielgruppen betrachtet. Deutlich wird in dieser Studie auch das Potenzial proaktiver Maßnahmen – 71 Prozent der Befragten geben an, aktiv auf Jobsuche oder offen für Angebote zu sein.

Vor allem Führungs- und Fachkräfte mit Berufserfahrung zeigen eine starke Tendenz, sich nach einer passenden Anfrage auch zu bewerben. Gleichzeitig legen diese Zielgruppen aber besonderen Wert auf einen vertraulichen Kontakt im ersten Schritt. Sie bevorzugen daher die Ansprache durch einen Headhunter. Studenten, Praktikanten und Young Professionals hingegen schätzen den direkten Kontakt zum Unternehmen und sind damit Zielgruppen, die auch durch interne Sourcer gut erreicht werden können.

Die Umfrageteilnehmer sind sich darin einig, dass sie bevorzugt über ein karriereorientiertes Netzwerk wie Xing oder LinkedIn kontaktiert werden möchten, statt beispielsweise über Facebook.

Die Auseinandersetzung mit der eigenen Zielgruppe ist der Erfolgsfaktor

Insgesamt unterstreicht die Studie, dass die für ein Unternehmen kritischen Mitarbeitergruppen und damit die jeweilige Zielgruppe der Ansprache, der entscheidende Faktor für die Strategie, deren Umsetzung und Erfolg ist. Die Definition und umfassende Auseinandersetzung mit der eigenen Zielgruppe sind daher die ersten entscheidenden Schritte:

  1. Welche Berufsgruppe suche ich?
  2. Welche Führungs- oder Berufserfahrung ist erforderlich?
  3. Wie groß ist meine Zielgruppe?
  4. Welche Social-Media-Kanäle nutzt sie?
  5. Welche Erwartungen und Befürchtungen könnte Sie bezüglich einer Kontaktaufnahme haben?

Die Antworten auf diese Beispielfragen unterscheiden sich bei der Betrachtung von Young Professionals und Führungskräften ebenso wie bei Kandidaten aus unterschiedlichen Fachbereichen wie zum Beispiel aus dem Vertrieb, der Buchhaltung oder der Entwicklung. Aber auch die Suche und Ansprache von Frauen erfordert ein besonderes Fingerspitzengefühl, denn unsere Studie hat gezeigt, dass diese höhere Bedenken bei einer Kontaktaufnahme über Social Media haben als Männer.

Dass die aktive Suche und Ansprache von Kandidatinnen und Kandidaten eine wertvolle Ergänzung für die Personalgewinnung von Unternehmen sein kann, scheint unbestritten. Gleichzeitig wird aber deutlich, dass die Definition der kritischen Zielgruppe, die Ableitung einer passgenauen Strategie und die Gestaltung eines durchgängigen Prozesses entscheidende Voraussetzungen für den Erfolg der Maßnahmen sind.

Active Sourcing ist keine Allzweckwaffe und erfordert neue Handlungsfelder sowie ein neues Mindset

 Die besondere Herausforderung liegt darin, den klassischen, sequenziell aufgebauten Recruiting-Prozess mit dem agilen, iterativen Sourcing-Prozess in Einklang zu bringen und zu entscheiden, ob die Prozesse unternehmensintern oder in Zusammenarbeit mit einem Personalberater oder Dienstleister abgewickelt werden:

  • Ist die Vakanz vertraulich?
  • Verfügen wir über die Tools, Systeme und Zugänge, um mit der Zielgruppe in Interaktion zu treten?
  • Haben wir die zeitlichen und personellen Ressourcen sowie Kompetenzen (z.B. im Bereich der Suche), um den Sourcing-Prozess intern zu meistern?
  • Wie gelingt es uns, die Kommunikation durchgängig zu gestalten (Sourcer, Recruiter, Fachabteilung etc.)?
  • Welche Erwartungen haben Bewerber und Kandidaten an uns und den Prozess?

Die Kernaufgabe für die Implementierung eines erfolgreichen Recruiting- und Sourcing-Prozesses ist das Bewusstsein über die Unterschiede im Kontakt mit klassischen Bewerbern und Kandidaten. Und das gilt nicht nur für die Personalbereiche, sondern für alle an den Prozessen beteiligten Personen – intern wie extern. Ein neues Mindset wird durch das kritische Hinterfragen der bisherigen Vorgehensweisen und ein Umdenken erreicht.

Eine ganzheitliche, durchgängige und authentische Strategie zur Personalgewinnung birgt dann auch das Potenzial, einen echten Vorteil im Wettbewerb um die besten Kandidaten und Talente aufzubauen und sichtbar zu machen! Entscheidend hierfür ist die Balance zwischen einem schnellen, digitalen und agilen Prozess sowie einer individuellen und persönlichen Kommunikation auf Augenhöhe.

Die Erhebung und Auswertung der dem Artikel zugrunde liegenden Daten wurden von der Autorin im Rahmen einer Masterarbeit zum Thema „Zielgruppenorientiertes Active Sourcing – der Einfluss von Geschlecht und Berufserfahrung auf die Kandidatenansprache über Social Media“ an der FOM München durchgeführt. Für die Studie konnten 242 vollständig ausgefüllte Fragebögen für die Auswertungen verwendet werden.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert