Eigene Wege gehen

Protrait Heidi Gutschmidt
© Achim Graf - www.achimgraf.de

Heidi Gutschmidt übernahm die Firma ihres Vaters nicht – und leitet heute ein eigenes Unternehmen

Was anderen Töchtern oft verwehrt ist, wurde Heidi Gutschmidt händeringend angetragen: Der Vater hatte sie als Nachfolgerin für sein mittelständisches Unternehmen auserkoren. Warum hat sie nicht angenommen?

Als Tochter eines Unternehmers mit Leib und Seele war ich in jungen Jahren zunächst dabei, herauszufinden, was ich wirklich möchte. Mein Vater hätte mich gerne als Nachfolge in seinem zum damaligen Zeitpunkt bereits mit 2000 Mitarbeitern international agierenden Unternehmen gesehen. Dafür habe ich auf seinen Rat hin Jura studiert. Damit kannst du einmal alles machen, hat er immer gesagt, wenn ich andere Interessen kundgetan habe.

Dann drängte mir das Schicksal ein ganz anderes Thema auf: Meine erst 43-jährige Mutter hatte einen schweren Schlaganfall und wurde mitten aus ihrem sehr aktiven Leben gerissen. Ich war gerade mit dem Abitur fertig und plötzlich mit einem für junge Menschen zumindest zu der Zeit, in den 1980er Jahren, noch weit entfernten Thema beschäftigt: Wie gewinne ich meine Gesundheit zurück. Ich pflegte meine Mutter, kochte Vollwertkost, begleitete sie über ein Jahr lang in diverse Reha-Einrichtungen. Und war zusehends fasziniert von den Möglichkeiten, mit denen man sich selbst helfen und heilen kann.

Es sollte einige Umwege benötigen, bis ich meine Leidenschaften erkannte und beruflich umsetzen konnte. Natürlich habe ich in der Firma meines Vaters als Personalchefin gearbeitet. In der vor 35 Jahren noch von Männern dominierten Welt fiel es mir schwer, meinen Stil, der wie ich heute weiß, sehr weiblich, aber nicht weniger effektiv war, durchzusetzen.

Wie es sich anfühlt, wenn die Familie immer hinter die eigene Karriere gestellt wird, der Betrieb stets die Hauptrolle spielt, das habe ich selbst als Kind erlebt. Ich wollte das anders machen. Meinen Sohn, der gerade einmal eineinhalb war, als ich die Führungsposition übernahm, nicht einer Tagesmutter überlassen, sondern selbst erleben und großziehen. Sein Vater, mein damaliger Mann, ging dafür umso mehr in der Firma auf.

Äußeres und inneres Ringen

Es war ein langes äußeres und inneres Ringen, auf die Nachfolge und diese große Chance und Herausforderung zu verzichten und den Vater mit einer Absage enttäuschen zu müssen. Zu dem Zeitpunkt konnte ich mir nicht vorstellen, den Gestaltungsspielraum zu haben, den ich mir gewünscht habe für eine meinem Wesen gemäße Arbeit in einem sehr männlich ausgerichteten Unternehmen. Als meine Freundin mir eines Tages deutlich sagte, wie hart ich durch die Arbeit geworden sei und sie mich kaum mehr wieder erkenne, habe ich gehandelt. Ich habe mich entschieden, meinen eigenen Weg zu gehen und teilte meinem Vater schweren Herzens und zugleich erleichtert diese Entscheidung mit.

Ich begann mit einer Ausbildung in Psychotherapie und besuchte die Heilpraktikerschule. Um mein abgeschlossenes Jurastudium weiter zu nutzen, eröffnete ich eine Anwaltskanzlei, in der ich meine Zeit gut einteilen konnte.

Nach mehreren Jahren Anwaltstätigkeit war mir klar, dass ich meinen eigenen Weg finden musste; jetzt oder nie. Während eines Sabbaticals, das mich damals nach Indien geführt hatte – ich wollte sehen, ob die Farben dort wirklich so bunt sind, wie ich sie von Bildern kannte – habe ich die Ayurvedamedizin kennengelernt. Darin floss alles zusammen, was ich bis dahin gelernt hatte.

Ein Haus, in dem Menschen geholfen wird

Zum Ende meiner Kur, die ich auf Anraten eines Freundes an den Anfang meines Sabbatjahres gesetzt hatte, ohne zu wissen, was auf mich zukam, lernte ich meinen jetzigen Mann kennen. Wir stellten fest, dass wir eine ähnliche Vision hatten: er, Homöopath und Osteopath, wollte ein Zentrum aufbauen, in dem Ärzte und Heilpraktiker an einem Strang ziehen zum Wohle des Patienten.

Und ich stellte mir ein Haus vor, in dem Menschen geholfen wird, die Begleitung auf ihrem Lebensweg brauchen. Zurück in Deutschland erzählte ich meinem Vater von unserem Vorhaben, ein integrativ arbeitendes, ganzheitliches Gesundheitszentrum zu gründen, mit Schulmedizin und verschiedenen naturheilkundlichen Disziplinen und Ayurveda unter einem Dach. Mein Vater ließ sich von der Begeisterung zumindest so weit anstecken, dass er im nächsten Jahr mit nach Indien zur Ayurvedakur kam und – überzeugt war. Noch vor Ort zeichneten wir drei auf, wie unser Zentrum aussehen soll, hinsichtlich des medizinischen als auch des ästhetischen Konzepts.

So entstand das RoSana Gesundheitszentrum in Rosenheim, das ich geschäftsführend leite. In diesem Jahr feiern wir unser 10-jähriges Jubiläum. Ich habe immer noch mit der Geschäftswelt zu tun, in der ich mich bewegt hätte, wäre ich den direkten Spuren meines Vaters gefolgt; allerdings in einem anderen Kontext. Die UnternehmerInnen und ManagerInnen, die unsere Gäste sind, suchen Behandlung von Krankheiten, die oft mit ihrem herausfordernden Lebensstil zu tun haben oder nehmen sich präventiv eine Auszeit, damit das Burnout sie nicht in die Fänge bekommt.

Bei der Leitung meines eigenen Unternehmens fallen mir nun nach so vielen Jahren Verhaltensweisen auf, die ich von meinem Vater kenne, und ich höre nicht selten, wie sehr ich ihm ähnlich bin – durch und durch Unternehmerin. Meine Kraft hole ich aus einem dem Ayurveda gemäßen Lebensstil, aus dem Yoga und aus der Meditation und biete das auch den Gästen an.

Ich bin auch Trainerin von TLEX-Kursen, Transformational Leadership for Excellence, die Programme zur Verbesserung der Führungskultur und für größeres Wohlbefinden in Unternehmen anbieten. Immer mehr namhafte Konzerne wollen partizipieren.

Manchmal staune ich selbst, wie sich alles gefügt hat: Das Jurastudium hat mich klares Denken gelehrt, meine weiteren Ausbildungen haben mich persönlich gestärkt, und meine Familie inspiriert mich immer neu. Alles fließt in meine Arbeit ein und macht mich glücklich.

Gerade war mein Vater wieder zur Ayurvedakur. Er schaut mir gerne zu, wie ich Unternehmerin bin – auf meine Art. Diesen Schritt habe ich nie bereut, wenngleich ich heute auch manchmal wehmütig auf Familienunternehmen schaue, in denen Kinder und Enkelkinder mitwirken und ihren Platz darin finden.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert