Stolpersteine weiblicher Karrieren

Schluss mit der Dornröschen-Falle - Interview mit Sigrid Meuselbach über Stolpersteine weiblicher Karrieren und ihr neues Buch "Weck die Chefin in dir" - Sigrid Meuselbach beim Vortrag
© Sigrid Meuselbach - www.meuselbach-seminare.de

Interview mit Sigrid Meuselbach über Stolpersteine weiblicher Karrieren und ihr neues Buch „Weck die Chefin in dir“

Sigrid Meuselbach ist gefragte Expertin in Sachen weiblicher und männlicher Karrieren in Wirtschaft und Wissenschaft. Sie unterstützt Frauen seit 25 Jahren engagiert beim Ausschöpfen ihrer beruflichen Talente. Wir sprechen mit ihr über ihre Arbeit und ihr neues Buch.

Frau Meuselbach, Sie sind Trainerin, Coach und Wirtschaftsmediatorin und haben gerade Ihr neuestes Buch „Weck die Chefin in dir“ veröffentlicht. Was war der Auslöser, Frauen nicht mehr nur fördern, sondern befördern zu wollen?

Als ich vor über 25 Jahren anfing, mich intensiv mit Frauenkarrieren auseinanderzusetzen, gab es tatsächlich noch Qualifikationsunterschiede zwischen Frau und Mann. Außerdem war die Gesellschaft trotz eines starken Feminismus nicht offen für echte Gleichberechtigung. Es war noch hoffähig, öffentlich zu behaupten, der Mann gehöre in die Führung, die Frau in die Küche. Das alles hat sich grundlegend geändert. In vielen Berufen haben Frauen mittlerweile Fuß gefasst. Der Weg nach oben ist in den Unternehmen heute offiziell offen. Deshalb ist eine Förderung im Sinne von höherer Qualifikation nicht mehr nötig. In jedem guten Unternehmen gibt es mittlerweile die richtige Philosophie und Frauen, die bestens ausgebildet aufsteigen könnten, wenn man sie nur ließe. Deshalb sage ich: Schluss mit Goodwill-Aktionen und Alibimaßnahmen, die den weiblichen Aufstieg eher auf- als anschieben. Die tollen Frauen sind schon längst da. Lasst sie endlich ihren Weg machen und befördert Sie.

Welche Faktoren beeinflussen den Erfolg von Frauen maßgeblich?

Natürlich ist die Politik zwar langsam, aber wichtig und das nicht nur, weil sie die richtigen Gesetze macht. Die Gesellschaft könnte ebenfalls weiter sein. Immer noch gibt es zu viele Mädchen und junge Frauen, die sich gegen einen hochqualifizierten Job entscheiden, weil sie den durch ihre Erziehung gar nicht auf dem Schirm haben. Der größte Hemmschuh ist aber die derzeit noch männliche Prägung des Geschäftslebens. Viele Frauen kennen die dort geltenden Regeln entweder nicht oder glauben, sich ihnen verweigern, vielleicht sogar dagegen revoltieren zu können. In beiden Fällen werden sie früher oder später von männlichen Seilschaften ausgebremst. Es kommt darauf an, diese „männlichen Strukturen“, auch wenn sie längst überholt sind, erst mal zu akzeptieren. Nur dann kann man sich in diesem System durch kluge Anpassung ohne Anbiederung nach oben bewegen – und später das System von innen verändern.

Was halten Sie für den häufigsten Karriere-Stolperstein der Frauen?

Von vielen kleinen und großen praktischen Fehlern, die frau machen kann, ist einer besonders hervorzuheben: Selbst top ausgebildete Frauen sind häufig zu bescheiden und warten eher darauf, „entdeckt“ zu werden als aktiv nach vorne zu gehen und auf ihre Stärken und Leistungen zu pochen. Männer sind da überhaupt nicht scheu und übertönen Frauen trotz objektiv geringerer Qualifikation durch ihre Lautsprechermentalität. Und das funktioniert leider. Außerdem sind Frauen von Kindesbeinen an darauf trainiert, „lieb“ sein zu müssen. Oft scheuen sie offene Konflikte und verzichten auf klare Kante, wo sie dringend nötig wäre. Haben Männer erst mal den Eindruck, sie sei zu weich oder lasse alles mit sich machen, wird sie kaum noch wahrgenommen. Das beginnt bei der Duldung zweideutiger Komplimente, geht übers Kaffeekochen „weil Frauen ja eh darin besser sind“ und endet nicht beim zu zahm geführten Gehaltsgespräch.

Ist Durchhaltevermögen manchmal wichtiger als Talent?

Da ist was dran. Und da sind Männer oft stärker als Frauen. Sie lassen sich nicht so leicht den Wind aus den Segeln nehmen, wenn sie Gegenwind spüren. Hier kommt Männern ihr scheinbar angeborener Wettbewerbsinstinkt zugute. Frauen fühlen sich der manchmal lauten und forschen Art männlicher Kletterkameraden auf der Karriereleiter unterlegen – auch wenn sie die besseren Argumente in Form höherer Qualifikation haben. Sie ziehen sich zurück, statt zu kämpfen, und warten vergeblich darauf, von einem Talentscout mit Spürnase entdeckt zu werden. Ideal sind natürlich Durchhaltevermögen und nicht nur Talent, sondern handfeste Expertise. Beim Letzteren müssen wir uns kaum sorgen. Heute kommen viele Frauen mit besseren Abschlüssen von der Uni als ihre männlichen Kommilitonen, selbst in Berufen, die immer noch als Männerdomäne gelten. Deshalb liegt ein großes Augenmerk meiner Arbeit mit Frauen darauf, ihnen Mut zur Selbstpräsentation zu machen und ihnen zu zeigen, wie sie der männlichen „Lautmalerei“ ihr Leistungsprofil entgegensetzen, das sie dann selbstbewusst kommunizieren.

Was genau ist die Dornröschen-Falle?

Das klang schon mehrfach an. Frauen verschlafen wie das Dornröschen ihre Karriere in einem einsamen Turm. Und der ist von einer Dornenhecke umwuchert, durch die der Prinz nicht kommt, um sie zu erwecken. Auf den wartet sie dann – Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr um Jahr. Wie sie da hineingeraten ist? Durch Unwissenheit. Hätte sie gewusst, dass Spindeln gefährlich sind, hätte sie sich nicht gestochen und wäre nicht in den Dornröschenschlaf gefallen. Meine Metapher beschreibt, wie Frauen in Unkenntnis der männlichen Regeln im Business und wegen ihres Mangels an Selbstvertrauen ein Schattendasein am Fuß der Karriereleiter fristen, während oft weniger qualifizierte Männer an ihnen vorbei nach oben stürmen. Das muss sich dringend ändern, dafür trete ich jeden Tag an und deshalb habe ich „Weck die Chefin in dir!“ geschrieben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Weck die Chefin in dir

Sigrid Meuselbachs neues Buch „Weck die Chefin in dir! 40 Strategien für mehr Selbstbehauptung im Job“ ist jetzt online und im Fachhandel erhältlich. Weitere Informationen finden Sie hier.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert