Was wollen wir der Welt hinterlassen?

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Interview mit Sibylle Barden zu ihrem Wirtschaftsthriller „Der Honiganzeiger“

Mit ihrem neusten Buch, dem Thriller „Der Honiganzeiger“, zeichnet Sibylle Barden eine mögliche Zukunftsapokalypse. Schon mit ihrem Buch „Wie wollen wir leben“ fordert sie ein globales Konjunkturprogramm: neues Denken, neues Arbeiten, neue Formen des Miteinanders.

Liebe Frau Barden-Fürchtenicht, was meinen Sie damit, wenn Sie von einem globalen Konjunkturprogramm sprechen und welchen Einfluss hat es auf Beruf und Karriere des Einzelnen?

Mehr Gemeinsinn wäre gleich mein erster Punkt. Die Zeit fordert uns geradezu heraus. Sie will, dass wir uns von Selbstverständlichkeiten und veralteten Thesen verabschieden, Neues wagen. Politik, wie wir sie seit der Nachkriegszeit erlebt haben, in Ost und West, ist passé.

Globalisiertes Unternehmertum fordert eine globale Herangehensweise an Problemlösungen. Digitales Arbeiten und der Einsatz Künstlicher Intelligenz verlangen nach Offenheit und menschlicher Intelligenz. Unser Leben braucht eine neue Balance, eine neue Form der Stabilität, die sich aus der Bewegung heraus ergibt.

Unsere bisherige Kultur des Festhaltens und Ausharrens hat uns zu diesem Tipping Point oder Umkehrpunkt geführt, an dem wir jetzt sind. Ein Stimmungswechsel ist nötig, ein Motivationsschub. Wenn sich Deutschland als Motor der Transformation verstehen will, braucht es neue Köpfe, die völlig neue Fragen stellen, welche in neuen Ideen münden.

Für den Einzelnen bedeutet das: Lernen, lernen, lernen. Ich würde das gern weniger fordernd ausdrücken, aber es wäre falsch. Lernen ist gut, logisch zu denken und Sachverhalte zu hinterfragen, ist gut, Gemeinsamkeit ist gut, Fokussieren auf Machbares ist gut, große Ziele und Offenheit gegenüber Andersdenkenden sind es auch. Wer heute eine gute Karriere hinlegt, hat die Pflicht, andere auf ihrem Weg zu unterstützen. Das ist hilfreich für den Empfänger, aber auch für das Selbstwertgefühl des Gebers.

Während meine Generation in diese „Gier ist gut“-Spirale der 80er- und 90er-Jahre eingespannt war, braucht es heute eine Weiterentwicklung. 2019 geht es um viel Größeres, als den eigenen kleinen Egoismus auszuleben. „Wir“ ist nachhaltiger und gesünder als „ich“. Vor kurzem ist mein Vater gestorben und mehr als hundert Menschen kamen zu uns, die alle das gleiche gesagt haben: „Er war ein guter Mensch. Verlässlich, hilfsbereit, großzügig. Liebenswert. Alles, was er angefasst hat, hat er diszipliniert zu Ende gebracht. Ich werde ihn vermissen.“ Ich war so stolz auf meinen Vater und dachte, so will ich auch sterben.

Seitdem halte ich die Antwort auf die Frage Was wollen wir der Welt hinterlassen, wenn wir gehen? für wertvoller als die Frage Habe ich alle meine Träume gelebt? Um zu dieser Nachhaltigkeit unseres Wirkens zu kommen, halte ich ein globales Konjunkturprogramm für neues Arbeiten, neues Denken, neue Formen des Miteinanders für die Rettung der Gesellschaft.

Was denken Sie, warum gibt es kaum weibliche Autoren von Wirtschaftsthrillern?

Es gibt auch nur wenige Männer, die sich dem Thema widmen. Dabei ist jetzt die perfekte Zeit dafür. Vielleicht löst „Der Honiganzeiger“ einen Trend aus.

Was oder welche Fragestellung hat Sie selbst auf Ihrem beruflichen Weg nachhaltig beeinflusst?

Ist dafür die Grenze aufgegangen? Das ist im Grunde meine Schlüsselfrage, die mich immer weiter antreibt, neugierig und offen bleiben lässt, mich in immer neue Welten schubst und mir nicht die Chance gibt, mit dem Lernen aufzuhören. Warum? Ich war 19 Jahre alt, als die Grenze aufging. Und mein Leben in der DDR war bis zu diesem Zeitpunkt komplett durchgeplant. Von anderen. Der Beruf, den ich wollte, blieb mir verwehrt, weil meine Familie zu viele Verwandte in Westdeutschland hatte und ich damit ein Risiko darstellte. Trotz Bestnoten waren weder Berufswunsch A noch B oder C akzeptabel gewesen.

Ich landete natürlich im inneren Widerstand. Eigentlich habe ich immer nur von persönlicher Freiheit geträumt, von der Macht über die eigene Entscheidung. Das ist für mich das höchste Gut. Während ich also innerhalb all dieser inneren und äußeren Grenzen funktionierte, ging plötzlich die Grenze auf. Stellen Sie sich das vor! Heute denken Sie, es gibt einfach keinen Ausweg – und morgen &hellip:, morgen ist plötzlich alles möglich.

Das war schon ein unglaubliches Gefühl. Ein paar Monate später landete ich als Reporterin bei der Bildzeitung und mit 21 Jahren auf der Axel Springer Journalistenschule. Gerade gestern habe ich mein Mantra von Anna Wintour, der Vogue-Chefin, bestätigt bekommen. Wintour spricht in ihrem neuen Onlinekurs über Leadership und einer ihrer ersten Ratschläge lautet: „own your decision“. Stehe zu Deiner Entscheidung.

Worin sehen Sie bislang Ihre beste Entscheidung?

Es gab viele sehr gute Entscheidungen, aber natürlich auch genug falsche, die mich kurzfristig aus der Bahn geworfen haben. Das ist in Ordnung. Das bedeutet Leben. Ich habe schnell gelernt, wann es sich lohnt, für etwas zu kämpfen und wann es besser ist, seinen Stolz herunterzuschlucken, sich umzudrehen und zu gehen. Das wiederum ist in sich schon eine exzellente Entscheidung. Meine Formel ist einfach: Wenn dir etwas oder jemand zu 60+ Prozent gut tut, dann ist es auch gut. Darauf kann man aufbauen. Umgekehrt eben nicht.

Zu guter Letzt, Frau Barden-Fürchtenicht, welchen Tipp für Sinn und Achtsamkeit im beruflichen Alltag würden Sie unseren Leserinnen und Lesern mit auf den Weg geben?

Achtsamkeit ist etwas sehr Schönes, eine besondere Form der Aufmerksamkeit. Deshalb sind wir schnell dabei, diese von anderen einzufordern. Selbst achtsam zu sein, setzt Respekt voraus. Wer Respekt vor der eigenen Person und der eigenen Leistung hat, der wird ihn auch anderen zugutekommen lassen. Das ist ein Ansatzpunkt.

Ob in der persönlichen oder beruflichen Partnerschaft, es hilft, wenn man achtsam, aufmerksam, respektvoll mit den Schwächen seines Gegenübers umgeht. Wer da versagt, sollte sich blitzschnell in einen Achtsamkeitskurs begeben. Schon aus Eigeninteresse heraus. Wer einmal die Schwäche des anderen ausgenutzt hat, der hat sich einen neuen Feind geschaffen. Also: Stoppschild.

Es hilft, das eigene Leben als Teil von etwas Großem zu betrachten. Man ist für 70, 80 Jahre Teil eines Eco-Systems, in dem man sich zurechtfinden und möglichst gut leben möchte. Wie unlösbar erscheint dann noch das momentane Problem? Hat, was heute wichtig erscheint, in 5 Jahren noch den gleichen Stellenwert? Was meinen Sie?

Wenn es uns dort, wo wir uns befinden, nicht gut geht, müssen wir eben den Platz suchen, wo wir uns verstanden fühlen. Entweder dadurch, dass wir den Mut aufbringen, dem anderen aufmerksam zuzuhören und dessen Perspektive zu verstehen, um einen gemeinsamen Nenner zu finden oder wir streichen die Segel. Beides ist in Ordnung.

Die Autorin

Beim Axel Springer Verlag begann 1990 ihre Laufbahn als Journalistin. Von 1994 bis 2000 arbeitete sie beim Fernsehen, zunächst als Redakteurin, später als Unternehmenssprecherin. Von 2002 bis 2008 war sie Sprecherin und Leiterin Marketing an der Deutschen Botschaft London, vornehmlich für Branding Germany verantwortlich. Zeitgleich absolvierte sie in London den Master of Business Administration (MBA). 2012 konnte sie die britische Economist Group für eine weltweite Kampagne zur Verbesserung der Finanzindustrie gewinnen.

2014 erschien ihr erstes Buch „Triumph des Mutes“, 2018 veröffentlichte sie „Wie wollen wir leben?“, ein politisches Sachbuch, das für einen globalen Marshallplan plädiert.

Die Autorin ist ehrenamtliches Kuratoriumsmitglied des Kölner Forums für Internationale Beziehungen und Sicherheitspolitik e.V. (KFIBS) mit Sitz in Brühl, Rheinland. Verheiratet mit einem Briten, lebt sie in Deutschland und Frankreich.

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