77 Tage umsonst arbeiten – auch 2020

Forderung nach Gleichheit - Graffito mit Schriftzug "Equal" an bunt bemalter Wand
© Oliver Cole - unsplash.com

Auf Augenhöhe verhandeln – WIR SIND BEREIT

So lautet das Motto des diesjährigen Equal Pay Day. Auch 2020 werden Frauen am Equal Pay Day 77 Tage umsonst gearbeitet haben. An der Lohnungleichheit von 21 Prozent hat sich seit letztem Jahr nichts verändert. Das zeugt von Unbeweglichkeit und Starrheit unseres Systems und von festgefahrenen Rollenbildern und unbewussten Stereotypen.

Hauptursachen für die ungleiche Bezahlung

Im Jahr 2008 hat der Verband BPW (Business and Professional Women) den Equal Pay Day in Deutschland eingeführt. Der BPW  ist das größte Netzwerk für Unternehmerinnen und berufstätige Frauen weltweit und sieht die Hauptursachen für den Gender Pay Gap in folgenden Punkten:

1. Frauen fehlen in bestimmten Berufen, Branchen und auf den höheren Stufen der Karriereleiter. Obwohl Frauen heute – statistisch gesehen – besser ausgebildet sind als Männer, ergreifen Frauen noch immer verstärkt frauendominierte Berufe in den Bereichen Erziehung und Pflege und fehlen weiterhin in den MINT-Berufen. Gerade die Pflegeberufe erleben durch die aktuelle Situation eine neue Bewertung. Das bedeutet jetzt und vor allem auch nach Corona sollte auch hier ein Umdenken stattfinden: Berufe und Tätigkeiten, die unsere Gesellschaft benötigt, müssen endlich besser bezahlt und angesehen werden.

2. Frauen unterbrechen oder reduzieren ihre Erwerbstätigkeit familienbedingt zum Beispiel durch Elternzeit oder Pflege von Angehörigen häufiger und länger als Männer. Diese „Fehlzeiten“ und darauf folgende Einstiegshemmnisse haben lang nachwirkende Einbußen bei der Lohn- und Einkommensentwicklung zur Folge, was sich bis in die Rentenphase niederschlägt.

3. Frauentypische Berufe sind weiterhin unterbewertet. Aufwertung dieser Berufe heißt nicht nur, die Wahrnehmung des gesellschaftlichen Werts von frauendominierten Berufen zu erhöhen, sondern auch die Bezahlung dieser Berufe zu stärken.

4. Durch fehlende Gehaltstransparenz ist eine Ungleichbehandlung der Bezahlung aufgrund des Geschlechts nicht sichtbar. Transparenz in den Gehaltsstrukturen und ein gesetzlich geregeltes Auskunftsrecht können die Lohnlücke nachhaltig beeinflussen. Ein Vorhaben, das durch das am 6. Juli 2018 in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz gestützt wird.

5. Gängige Rollenstereotype beeinflussen nach wie vor die Berufswahl von Frauen. So wählen junge Frauen aus einem sehr engen Segment der über 300 Ausbildungsberufe aus. Die Berufswahl im sozialen wie im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich muss frei von Rollenstereotypen oder Barrieren bei der Vereinbarkeit von Familie und Karriere erfolgen. Nur dann ist eine Durchmischung geschlechtertypischer Berufe möglich.

Lösungsansätze für mehr Entgeltgleichheit

Der Equal Pay Day macht auf den bestehenden Gender Pay Gap aufmerksam. Entscheidend ist aber, daraus Lösungen zu entwickeln und Maßnahmen zu ergreifen. Folgende Anregungen und Beispiele dienen als Inspiration, wie dem Gender Pay Gap entgegengewirkt werden kann:

Faire Kriterien bei Gehaltsverhandlungen

Frauen empfinden Gehaltsverhandlungen oft als unangenehm, während Männer selbstbewusst von ihren Gehaltsvorstellungen sprechen. Frauen befürchten als verbissen eingeschätzt zu werden, während Männer als durchsetzungsstark gelten, wenn sie ihr Gehalt verhandeln. Diese und weitere stereotype Denkmuster müssen angeschaut und benannt werden, um ein Verhandeln auf Augenhöhe ohne geschlechtsspezifische Vorurteile zu ermöglichen. Nur dann können auch unabhängige Entscheidungen getroffen und alte Rollenbilder aufgelöst werden.

Weibliche Vorbilder

Weibliche Vorbilder sind gerade in den MINT-Berufen und Branchen, in denen Frauen rar sind, für die Einstellung weiterer Frauen entscheidend. Verstärkte Sichtbarkeit der weiblichen Mitarbeiter, Förderung und Sponsoring können helfen, Frauen auf den weiterführenden Karriereschritt vorzubereiten und langfristig weibliche Führungskräfte zu etablieren. Die Wurzel dieses Problems liegt aber leider auch oft in der Erziehung und dem einseitigen Rollenbild, welches Mädchen und jungen Frauen vermittelt wird. Ein neues, vorurteilsfreies Mindset könnte junge Frauen für technische Berufe begeistern und sie ermuntern sich weiter in diese Richtung zu entwickeln. Leben wir dieses Mindset am besten ab sofort zu Hause.

Flexibilität

Flexibilität wird ein zunehmend wichtiger Faktor für Arbeitnehmer allgemein. Besonders Frauen wünschen sich Flexibilität in ihrem Job, um Privatleben und Karriere erfolgreich zu vereinbaren. Die fortlaufende Digitalisierung fordert mehr Flexibilität, macht diese aber auch gleichzeitig möglich. Somit wird ein breiteres Spektrum an Positionen für Frauen attraktiv, gleichzeitig bringen weibliche Kandidatinnen dafür passende Kompetenzen mit. Flexibilität wird auch in Bezug auf Rollenverständnisse ermöglicht, beispielsweise Führungspositionen in Teilzeit zu bewältigen oder als Tandem zu besetzen. Und wenn in einem Unternehmen Väter ganz selbstverständlich ebenso Elternzeit nehmen können und wollen wie Mütter, dann werden hier Fehlzeiten reduziert und negative Auswirkungen auf die Lohnauszahlung deutlich gemindert.

Gehaltstransparenz

Am 6. Juli 2018 wurde das Gesetz zur Gehaltstransparenz verabschiedet. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Somit ist die Hürde für eine Benachteiligung bei der Bezahlung zumindest höher gelegt. Außerdem kommt die Gehaltstransparenz nicht nur Frauen zugute, sondern generell benachteiligten Bevölkerungsgruppen, und das Vertrauen der Mitarbeiter in das Unternehmen wird gefördert. Oder frau informiert sich vor der Gehaltsverhandlung über das angemessene Gehalt und fordert dieses dann auch für sich ein. Hier helfen zum Beispiel Rechner und Seiten im Internet, wie gehalt.de oder der Gehaltsreport von Robert Half.

Wandel beginnt im Kopf von Frauen und Männern

Der Equal Pay Day ist Ausdruck eines ungerechten Zustandes, der weit über das ungleiche Gehalt hinausgeht. Er rückt die weiterbestehende Ungleichbehandlung von Mann und Frau in die Aufmerksamkeit, die im Kopf jedes Einzelnen beginnt. Wandel kann nur entstehen, wenn gesellschaftliche Normvorstellungen hinterfragt und geschlechtsspezifische Denkmuster entlarvt werden.

Lohngleichheitsbestrebungen müssen deshalb auch maßgeblich bei den gesellschaftlichen Rollenerwartungen und bei der Gleichberechtigung in Paarbeziehungen ansetzen.

Dr. Benita Combet, Equal Pay Day Journal 2020, S. 6

Wir werden die Veränderungen im Blick behalten und Bilanz ziehen – spätestens beim nächsten  Equal Pay Day.

Hier finden Sie weitere Informationen zum Equal Pay Day.

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