Überbrückung der Kluft – der Gender Pension Gap und Wege zur Gleichstellung

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© Claudia Buhlig - www.allianz-buhlig.de

Ein Interview mit Claudia Buhlig

Zum heutigen Equal Pay Day wollen wir ein zentrales, aber oft übersehenes Thema in den Fokus rücken: den Gender Pension Gap. Trotz Fortschritten in der Gleichstellung der Geschlechter bleibt die Rentenlücke zwischen Männern und Frauen bestehen und wirft wichtige Fragen auf. In unserem Interview sprechen wir mit Claudia Buhlig, Expertin in Sachen private und betriebliche Vorsorge über die Ursachen, Auswirkungen und mögliche Lösungsansätze des Gender Pension Gap.

femalemanagers: Liebe Claudia, wo siehst du die Faktoren, die zur Entstehung des GPG beitragen?

Claudia Buhlig: Zum einen die (manchmal) noch unterschiedliche Entlohnung bei gleicher Leistung und zum anderen in der sogenannten Care-Arbeit, der Kindererziehung und zunehmend auch Pflegetätigkeit für Angehörige. Und die Care-Arbeit geht Hand in Hand mit der Unterbrechung der Arbeit. Unterbrechung der Arbeit bedeutet weniger monetärer Verdienst, weniger Möglichkeit, selber aktiv privat fürs Alter zurückzulegen, weniger Rentenpunkte und weniger staatliche Rente. Care-Arbeit bedeutet auch oft ein Arbeiten in Teilzeit. In Teilzeit verdienen Frauen im Durchschnitt während ihrer gesamten Lebens-Arbeitszeit deutlich weniger und somit haben wir wieder das gleiche Spiel. Des Weiteren spielt auch die höhere Lebenserwartung von Frauen eine Rolle in der Verstärkung des Gender Pension Gap. Nicht umsonst empfehlen Experten schon seit mehr als 15 Jahren dringend „privat vorzusorgen“. Hier geht es nicht nur um das Thema „Gleichberechtigung“, denn die staatliche Rente reicht in 87 Prozent der Fälle, ganz unabhängig vom Geschlecht, nicht aus.

fm: Welche Auswirkungen siehst du für betroffene Frauen im Alter?

CB: Die Auswirkung ist eine Einschränkung in grundsätzlichen Dingen, zum Beispiel dem Verringern der Wohnfläche oder längeres Arbeiten, mit mehr als 67 Jahren. Es macht sicherlich auch etwas mit dem Selbstwertgefühl. Manche fühlen sich weniger wert, weil sie nicht dasselbe zum gemeinsamen Ruhestand in der Partnerschaft beitragen können.

fm: Welche Maßnahmen könnten deiner Meinung nach ergriffen werden, um die Gender Pension Gap zu verringern oder zu beseitigen?

CB: Da wir die Biologie nicht ändern können und Frauen weiterhin die Kinder bekommen werden, müssen sich grundlegende Dinge verändern. Für mich ist einer der wichtigsten Punkte, die Förderung von Maßnahmen zur Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen, um sicherzustellen, dass Frauen im Laufe ihrer Karriere nicht weniger verdienen als Männer. Equal Pay ist mit Sicherheit ein großer Hebel. Wenn bei identischer Leistung dasselbe auf der Pay-roll steht, dann ist am Ende kein Unterschied, kein Gap vorhanden. Frauen müssen zudem ermutigt werden, in Berufen und Branchen zu arbeiten, die besser bezahlt werden und in denen bessere Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten bestehen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist sicherlich die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, um sicherzustellen, dass Frauen nicht aufgrund von Familienpflichten benachteiligt sind und ihre Karrieren nicht unterbrechen müssen. Hier sind Kitaplätze ein unabdingbares Momentum, gerne auch als unternehmenseigene Kitas. Zudem unterstützen Arbeitgeber durch betriebliche Altersvorsorge oder Möglichkeiten der Entgeltumwandlung. Und last but not least müssen Frauen selbstbestimmt die eigene Altersvorsorge im Blick behalten. Hierzu gehört, sich finanziell zu bilden, um sicherzustellen, dass sie angemessen für ihren Ruhestand vorsorgen. Zum Beispiel durch individuelle private und betriebliche Altersvorsorgelösungen wie Rentenversicherungen oder langfristige Sparpläne, mit einer entsprechenden Sicherheit und Rendite als Inflationsausgleich.

fm: Welche Rolle spielen staatliche Rentensysteme bei der Entstehung und Bekämpfung des Gender Pension Gap?

CB: Grundsätzlich brauchen wir politische Maßnahmen zur Stärkung der Rentenversicherungssysteme und zur Verbesserung des Rentenzugangs für Frauen, insbesondere für jene, die aufgrund von Erwerbsunterbrechungen, Teilzeitarbeit oder niedrigen Löhnen benachteiligt sind. Sobald es Punktwerte in der sogenannten Care-Arbeit gibt, die den Ausgleich zu 100 Prozent schaffen, gibt es keinen Gap. Dann spielen noch andere Faktoren eine Rolle, beispielsweise welchen Anreiz gibt ein Staat, eine Familie zu gründen bei dann ausgleichender Rentenzahlung.

fm: Welche langfristigen Auswirkungen hat der Gender Pension Gap auf die Gesellschaft als Ganzes?

CB: Die Auswirkungen kann man mathematisch in der demographischen Betrachtung ausdrücken: Weniger Rente auch ohne Erziehungszeiten machen es unattraktiver – rein monetär betrachtet – eine Familie zu gründen. Für viele Frauen kann die gefühlte und echte Ungleichbehandlung in der Entlohnung, zu einer andauernden Unzufriedenheit führen. Das kann zu Wertigkeits-Dissonanzen führen und damit zu Spannungen am Arbeitsplatz, in der Familie und im Freundeskreis.

fm: Wie können wir das Bewusstsein für den Gender Pension Gap in der Öffentlichkeit stärken?

CB: In der Jetzt-Realität fehlt noch das Bewusstsein für die Sorgfaltspflicht dem Konto gegenüber. Ich vermeide bewusst den Begriff Rollenverständnis. Denn es ist nirgends festgehalten, dass Frauen nicht sparen dürfen. Die Realität zeigt aber, dass die private Sparrate in betrieblicher Altersversorgung und auch bei der privaten Altersversorgung bei Männern höher ist als bei Frauen. Sparen bedeutet Konsumverzicht. Das kann man gemeinschaftlich in der Partnerschaft verorten, das kann man für sich selber tun. Im Moment bedarf es Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit, um das Bewusstsein für das Thema zu schärfen und zu Handlungen zu motivieren. Geld ist ein Wertaufbewahrungsmittel – Bewahre es für die zweite Hälfte, die zweite Spielhälfte auf.

fm: Liebe Claudia, vielen Dank für unseren Austausch.

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claudia.buhlig@allianz.de

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